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Zum journalistischen Leitbild von t-online.OB Marcus König "Verstehe nicht, warum wir Kompromisse gering schätzen"

Im kommenden Jahr will Nürnbergs OB wiedergewählt werden. Seine Gegenkandidaten fahren bereits die ersten Attacken, König will weiter auf Kompromisse setzen.
Seit 2020 leitet Marcus König die Geschicke im Nürnberger Rathaus. Jetzt spricht der OB mit t-online darüber, ob es ihn eigentlich stört, dass sein berühmter Namensvetter Markus Söder ständig in der Kommunalpolitik mitmischt. Außerdem erklärt König, was diese von der Bundespolitik unterscheidet und warum die Sanierung der städtischen Schulen ein Fass ohne Boden ist.
König ist erst der zweite CSU-Mann überhaupt an der Stadtspitze – nächstes Jahr will er wiedergewählt werden.
t-online: Herr König, wie viel Spaß macht es heute noch, Kommunalpolitiker zu sein?
Marcus König: Mir macht das viel Freude. Wenn du in der Stadt, in der du geboren bist, die Chance hast, Oberbürgermeister zu werden, dann ist das eine besondere Ehre. Und man kann als OB wirklich etwas verändern, auch wenn manche Dinge Zeit brauchen. Meine größte Schwäche ist da die Ungeduld.

Zur Person
Marcus König wurde 1980 in Nürnberg geboren. Nach seinem Schulabschluss absolvierte er eine Ausbildung als Bankkaufmann, zuletzt arbeitete er als Abteilungsdirektor für eine Bank. Bereits im Alter von 14 Jahren trat er in die Junge Union ein, 2008 zog er für die CSU in den Stadtrat ein. 2020 setzte er sich in der Stichwahl gegen Thorsten Brehm von der SPD durch und wurde Oberbürgermeister.
In Berlin hat sich gerade eine neue Regierung gebildet. Was versprechen Sie sich von dieser für Nürnberg?
Ich hoffe darauf, dass wir Kommunen von der neuen Regierung noch mehr gesehen werden. Es heißt doch immer, wir brauchen eine stabile Demokratie. Mit uns Kommunen kommen die Menschen direkt in Kontakt. Wir können die Demokratie direkt stärken – auf uns kommt es an. Ich erwarte von der neuen Regierung deshalb, dass wir in Gesetzgebungsverfahren besser eingebunden und finanziell solide und verlässlich ausgestattet werden. Das war mit der Ampel schwierig. Da hat man Prozesse angestoßen, ohne die Städte und Gemeinden einzubeziehen. Das hat uns immer wieder in ein Dilemma geführt – weil die Umsetzung nicht so funktioniert hat, wie man sich das auf dem Papier vorgestellt hat.
Haben Sie ein Beispiel?
Die Wohngeldreform: Wir hatten vor der Reform circa 15.000 Berechtigte in Nürnberg, jetzt haben wir gut dreimal mehr. Das Verfahren wurde schnell durchgepeitscht und uns hingekippt. Das hat alle großen Kommunen überfordert. Wir haben in Nürnberg versucht, das hinzubekommen – mit Künstlicher Intelligenz und neuen Mitarbeitern. Aber wir leiden heute noch unter der Reform. Manche Bürger erhalten bis jetzt nicht immer rechtzeitig das Wohngeld, das sie eigentlich bekommen sollten.
- Trotz leerer Kassen hat Nürnberg mehrere Großprojekte zu stemmen: Lesen Sie im zweiten Teil unseres Interviews, wie Marcus König über den anstehenden Stadionumbau und die Zukunft des Opernhauses denkt.
In der Bundes- und Landespolitik mischt Markus Söder mit. Genauso auch in der Kommunalpolitik. Vergangenes Jahr hat er etwa öffentlich gefordert, dass der Kaufhof abgerissen werden soll. Fühlen Sie sich da manchmal als zweiter Bürgermeister?
Unser Verhältnis ist hervorragend. Wir kennen uns seit fast einem Vierteljahrhundert – es ist gut, dass es zwei Marc/kus gibt, die sich auf unterschiedlichen Ebenen für die Stadt einsetzen. Dazu kommt, dass Markus Söder hier lebt und auch Landtagsabgeordneter für die Stadt ist. Ich bin froh, dass er sich auch bei dem Thema Kaufhof einbringt. Dass das Gebäude unter Denkmalschutz steht, hat im Übrigen das Landesdenkmalamt entschieden. Meine Entscheidung war, dass wir das Gebäude kaufen. Damit habe ich mich im Rat durchgesetzt. Jetzt prüft eine Studie, ob es wirtschaftlich zu betreiben ist. Falls nein, muss man auch über einen Abriss reden können.
Trotzdem war es Söder, der das Thema auf den Tisch brachte – genau wie bei der Magnetbahn.
Kommunen sollten sich auch als Schaufenster für Technologie und Innovationen aus der Region sehen. Mit dem Magnetbahnhersteller Max Bögl sind wir als Stadt schon länger in Kontakt, weil sich das Unternehmen in der Region einbringt. Die Magnetbahn kann man gut mit dem Adler vergleichen. Der ist 1835 als erste Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth gefahren. Der Adler war damals eine Innovation, wie jetzt die Magnetbahn. Deshalb stehe ich der Idee offen gegenüber.
Mir ist die Kooperation mit allen Kräften der Mitte wichtig
Marcus König (CSU) – Oberbürgermeister
Ärgert Sie es manchmal, dass mit solchen Ideen Ihr berühmter Namensvetter im Mittelpunkt steht und nicht Sie?
Ich freue mich, dass Markus Söder so für Nürnberg und Franken brennt. Hier in Nürnberg ist mir die Kooperation mit allen Kräften der Mitte wichtig. Wir suchen gemeinsam Lösungen und ringen um die besten Entscheidungen für die Stadt.
Warum funktioniert das eigentlich in Nürnberg ohne Schlammschlacht, aber nicht im Bund oder Land? Gerade Ihre Partei war zuletzt ziemlich laut und polemisch.
Ich sehe mich als Brückenbauer, der immer versucht, Lösungen zu finden. Zu einer Demokratie gehören Kompromisse. Jeder, der einen Partner oder eine Partnerin hat, macht Kompromisse. In einer Beziehung setzt doch auch niemand jeden Tag seinen Kopf durch. Das ist ein Zusammenspiel. Deshalb verstehe ich nicht, warum wir in einer Demokratie den politischen Kompromiss oft gering schätzen. Ein Kompromiss ist eine Mischung aus unterschiedlichen Ansichten, und zum Schluss holen wir damit hoffentlich das Beste für die Nürnberger raus. Das erwarten die Menschen zu Recht von Politikern und Parteien.
Kritik gibt es auch hier. Die SPD wirft ihnen vor, Geld für Prestigeprojekte auszugeben. Die Landesgartenschau bezeichnen die Sozialdemokraten zum Beispiel als "Blümchenschau im Stadtgraben". Was halten Sie davon?
Die Landesgartenschau ist ein Stadtentwicklungsprojekt, das unsere Stadt in den kommenden Jahrzehnten positiv prägen wird. Damit verändern wir Nürnberg nachhaltig und machen es fit für die Zukunft und die Auswirkungen des Klimawandels. Die Frage ist doch, wie viel städtisches Geld stecke ich rein und was bekomme ich dafür? In die Landesgartenschau stecken wir 24 Millionen Euro Eigenanteil bei einer Gesamtinvestition von 53 Millionen Euro.
Nürnberg braucht schnell mehr Grün
Marcus König (CSU) – Oberbürgermeister
Kommen solche Projekte überhaupt beim Nürnberger an? Viele Menschen denken, dass das Geld in marode Schulen besser investiert wäre.
Nürnberg investiert eine Rekordsumme in moderne Bildung. Unabhängig davon: Wir haben ein Budget, das wir speziell für Grünflächen und Parks ausgeben. Wir brauchen nicht nur Wohnungen und Arbeitsplätze, sondern auch Naherholungsgebiete. Dazu kommt, dass sich das Klima verändert. Nürnberg braucht schnell mehr Grün. Das darf keine zwanzig Jahre dauern, dann sind wir schon mitten in der Klimakrise. Die Landesgartenschau gibt der Entwicklung einen Schub, weil bis 2030 die entscheidenden Projekte umgesetzt sein müssen.
Lassen Sie uns noch einmal ins Hier und Jetzt springen: Die Schulen sind marode, in der Innenstadt herrscht Leerstand und die Kassen sind leer. Welches Problem ist das größte?
Wir haben viele Herausforderungen, so wie alle Kommunen. Es gibt 198 Schulgebäude in der Stadt. Wir investieren in den nächsten zehn Jahren fast eine Milliarde Euro in unsere Schulen. Ich war selbst auf der Hauptschule. Deshalb lege ich großen Wert darauf, dass wir uns nicht nur auf die Gymnasien oder Realschulen konzentrieren. Ich will, dass niemand in dieser Stadt verloren geht.
Die Investitionen dürften nicht ausreichen.
Das ist bei den Schulen nicht anders als bei einem Haus. Bist du damit irgendwann fertig? Nein, wenn du hinten fertig bist, fängst du vorne wieder an. Das ist ein laufender Prozess, der kostet viel Geld.
Wir haben viel über das geredet, was Sie zuletzt angestoßen haben. Was ist denn schlecht gelaufen?
Womit ich mich nicht zufriedengebe, ist der Engpass bei Kindergarten- und Hortplätzen. Wir haben zwar massiv ausgebaut, aber der Bedarf ist inzwischen noch viel höher. Wenn Eltern oder Kinder mir erzählen, dass sie keinen Kindergartenplatz bekommen haben, dann schmerzt mich das.
2026 wird wieder gewählt. Wie siegessicher sind Sie?
Eine Wahl ist immer eine Herausforderung. Fest steht, ich habe Lust auf Nürnberg und ich glaube, ich habe bewiesen, dass ich durchaus Erfolge vorweisen kann. Ich werbe um das Vertrauen der Nürnbergerinnen und Nürnberger, weil ich meine Erfahrung und Entschlossenheit weiter einbringen möchte.
Welches Wahlversprechen werden Sie zu 100 Prozent halten?
Ich gebe 100 Prozent für diese Stadt. Das ist meine Stadt, ich will weiter Lust auf Nürnberg machen – und wir packen weiter an.
Herr König, vielen Dank für das Gespräch.
Der zweite Teil des Interviews erscheint am Sonntagmorgen bei t-online. Dann spricht Marcus König über die Zukunft des Opernhauses und wie Nürnberg trotz leerer Kassen Großprojekte wie den Stadionumbau stemmen will.
- Interview mit Marcus König