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Klimakrise: Der Regierung fehlt es überall an Kompetenz


Es fehlt an Kompetenz
Diese Entscheidung der Regierung löst Entsetzen aus

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

Aktualisiert am 10.05.2025 - 08:44 UhrLesedauer: 4 Min.
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Die Ministerinnen und Minister der neuen Bundesregierung: Umweltminister Carsten Schneider sitzt in der zweiten Reihe – er ist der zweite von links. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Statt Klimaschutz ressortübergreifend zu verankern, bündelt die schwarz-rote Regierung die Zuständigkeit wieder im Umweltministerium. Das hat weitreichende Folgen.

Die Klimakrise betrifft alle Bereiche des Lebens. Die Ampelregierung trug dem Rechnung, indem sie die Verantwortung für den Klimaschutz auf mehrere Ministerien aufteilte. Die Klimadiplomatie wanderte ins Auswärtige Amt; Robert Habeck benannte sein Haus gar als Bundesministerium für Wirtschaft und Klima.

Unter der schwarz-roten Regierung wandert der Klimaschutz nun vom Wirtschaftsministerium zurück ins Umweltministerium. Er droht wieder zum Öko-Nischenthema zu verkommen. Und mit Carsten Schneider von der SPD ist jetzt jemand Umweltminister, der bisher keine Erfahrung auf diesem Gebiet hat.

So ambitionslos ist die Koalition

Schneider wurde 1988 in den Bundestag gewählt – damals war er der jüngste Abgeordnete. Nach einer Banklehre widmete er sich den Finanzen und dem Bundeshaushalt. Er gehört dem "Seeheimer Kreis" an, der konservativen Strömung der SPD. Zwischenzeitlich war er einer der Vizefraktionschefs der Partei, Staatsminister beim Bundeskanzler und zuletzt Ostbeauftragter der Bundesregierung. Dass er jetzt das Umweltministerium führt, kam überraschend.

Schon im Koalitionsvertrag wurde sichtbar, wie ambitionslos die schwarz-rote Koalition im Hinblick auf den Klimaschutz ist. Darin werden vor allem die umstrittene CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) sowie die Wasserstoffwirtschaft betont, die insgesamt aber nur einen kleinen – und teuren – Teil der nötigen Transformation ausmachen. Bei der Vorstellung erwähnte von den Verhandlungsführenden weder Friedrich Merz noch Markus Söder noch Lars Klingbeil das Thema Klimaschutz, nur Saskia Esken ließ das Wort in einem Halbsatz fallen. Um zu signalisieren, dass man den Bürokratieabbau ernst meint, hat die neue Regierung diverse Stellen von Sonderbeauftragten gestrichen – darunter die des Meeresbeauftragten und der Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik. Unterstützung für umwelt- und klimapolitische Vorhaben scheint von den Koalitionschefs nicht erwartet werden zu können.

Zur Person

Die Lage ist extrem ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto erklärt die freie Journalistin Sara Schurmann die großen Zusammenhänge und kleinen Details der Klimakrise, sodass jede und jeder sie verstehen kann.
Etwa in ihrem Buch "Klartext Klima!" – und jetzt in ihrer Kolumne bei t-online. Für ihre Arbeit wurde sie 2022 vom "Medium Magazin" zur Wissenschaftsjournalistin des Jahres gewählt.

Es fehlt an Kompetenz

Auch in den anderen Ressorts, die für den Klimaschutz besonders wichtig sind, fehlt es an Klimakompetenz. Am stärksten ausgeprägt ist sie noch bei Katherina Reiche. Die CDU-Politikerin wird Ministerin für Wirtschaft und Energie. Der Bundesverband Erneuerbare Energien lobt die Personalentscheidung, Reiche sei eine erfahrene Energiepraktikerin. Sie kommt direkt aus der Wirtschaft, war zuletzt Vorstandsvorsitzende von Westenergie. Das Tochterunternehmen des Energiekonzerns Eon betreibt Verteilnetze für Strom und Gas. Genau das kritisiert jedoch die Organisation Lobbycontrol, sie fürchtet einen Interessenkonflikt. Reiche werde sich "in ihrer neuen Position kaum aus allen Entscheidungen heraushalten können, die ihren jetzigen Arbeitgeber betreffen".

"Leberkäs' statt Tofu-Tümelei"

Der neue CDU-Verkehrsminister Patrick Schnieder war zwar von 2009 bis 2021 Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestages. Als besonders engagiert hervorgetan hatte er sich dort aber kaum. In seinem Ressort stehen besonders viele Aufgaben an, der Verkehrsbereich verfehlt die Klimaziele bisher am deutlichsten. Ob sich das unter Schnieder ändern wird, ist fraglich. In der Vergangenheit sprach er sich unter anderem gegen ein Tempolimit und ein Verbrenner-Aus im Jahr 2035 aus. Mit einem Teil der 500 Milliarden Euro aus dem neuen Sondervermögen kann und muss er nötige Infrastrukturprojekte und die Transformation der Bahn vorantreiben.

Auch für den Minister für Landwirtschaft und Ernährung, Alois Rainer von der CSU, gibt es in Sachen Klimaschutz mehr als genug zu tun. Bisher sieht es aber eher so aus, als könnte Rainer entsprechende Initiativen zurückdrehen. Der frühere Metzger lehnt eine höhere Steuer auf Fleisch ab und will, dass in Kitas und Schulen Fleisch auf den Tisch kommt. Um Emissionen zu senken, hatte sich sein Vorgänger Cem Özdemir dafür starkgemacht, das Fleischangebot dort zu reduzieren. "Leberkäs' statt Tofu-Tümelei" versprach Markus Söder, als er den künftigen Minister vorstellte.

Das Bundesbauministerium geht wieder an die SPD und wird künftig von Verena Hubertz geleitet. Sie ist seit 2021 Abgeordnete im Bundestag und war bisher stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion für Wirtschaft, Bauen und Wohnen. Ihrer Vorgängerin Klara Geywitz war es nicht gelungen, ausreichend CO2-Emissionen im Gebäudesektor einzusparen. Laut Klimaschutzgesetz sollten 2024 höchstens 96 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen werden. Tatsächlich wurden 105 Millionen Tonnen in die Luft geblasen – und damit nur zwei Millionen Tonnen weniger als im Vorjahr. Wie Hubertz diese Lücke schließen will, ist bisher nicht bekannt.

Umwelt- und Klimapolitik als "Gemeinschaftsprojekt"?

Für jemanden mit wenig Fachwissen und Erfahrung wie den neuen Umweltminister Carsten Schneider dürfte es schwer werden, seinen Kolleginnen und Kollegen die Bedeutung von Klimaschutz und die Verantwortung ihrer Ministerien dafür zu vermitteln. Helfen könnte ihm dabei allerdings, dass er nach den vielen Jahren parlamentarischer Arbeit in unterschiedlichen Gremien und Positionen gut vernetzt ist. Er selbst bezeichnet seine "Fähigkeit, Kompromisse zu schmieden und Mehrheiten zu gewinnen" als wichtige Qualifikation für das neue Amt. Umwelt- und Klimapolitik sei ein "Gemeinschaftsprojekt", sagte er dem Sender Phoenix. Es sei Konsens, dass die natürlichen Lebensgrundlagen "Grundvoraussetzung sind für ein gutes Leben". Auf diesen Konsens wolle er aufbauen, ihm sei wichtig, dass dabei keine gesellschaftlichen Spaltungen entstehen.

Das könnte tatsächlich der entscheidende Vorteil der aktuellen Regierung sein. Keines der Mitglieder steht unter Öko-Verdacht. Aufgrund der Vorgaben der Europäischen Union zur Emissionsreduktion kann die neue Regierung effektiv ohnehin kaum hinter die Maßnahmen der Ampelkoalition zurückfallen. Die CDU hatte im Wahlkampf zwar darauf bestanden, das sogenannte Heizungsgesetz abzuschaffen. Dass das an den Regelungen an sich aber gar nicht viel ändert, sollte eigentlich auch Merz bewusst sein. Denn die Emissionen müssen runter, und weil das so lange verschleppt wurde, gibt es da auch kaum noch Spielraum für die Frage, wie und wie schnell. Auch auf EU-Ebene ist eine Lastenteilung zwischen den unterschiedlichen Ressorts vereinbart, einzelne Ministerien können sich also nicht einfach aus der Verantwortung ziehen. Werden die Ziele nicht eingehalten, drohen Strafzahlungen.

Was zudem Hoffnung macht, sind Carsten Schneiders Personalentscheidungen. Er holt den erfahrenen Jochen Flasbarth als Staatssekretär zurück ins Umweltministerium. Der ehemalige Präsident des Umweltbundesamtes und des Naturschutzbunds Deutschland war dort bereits zwischen 2013 und 2021 Staatssekretär, unter den Ministerinnen Barbara Hendricks und Svenja Schulze. Er ist fachlich renommiert und international gut vernetzt. Auch die beiden parlamentarischen Staatssekretäre, Rita Schwarzelühr-Sutter und Carsten Träger, haben Erfahrung auf diesem Feld. Bleibt zu hoffen, dass der Minister auf die Expertise seines Teams hört.

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